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Quo Vadis Felix Austria? Debüt für einen Zwerg

Louis Reitmann | Österreich strebt mit junger, aktiver Außenpolitik nach Geltung. Doch was will es sein? Global Player, neutraler Mediator oder gar neues Deutschland in Europa?

Groß, gut gekleidet und vor allem blutjung. Sebastian Kurz ist der wohl eleganteste Export der Alpennation seit Mozart. Mit gerade einmal 27 Jahren wurde er Außenminister der Republik Österreich – mit Abstand der Jüngste unter seinen internationalen Kollegen. In Interviews betont er gern, dass man ihn bei seiner Angelobung 2013 vor der Bedeutungslosigkeit des Amtes warnte, es gäbe nicht viel zu tun, er hätte genug Eingewöhnungszeit. Kurz danach brach die Ukraine-Krise vom Zaun, es folgten IS und Flüchtlingschaos. Von einer gemütlichen Eingewöhnung kann keine Rede sein.

Entgegen der allgemeinen Befürchtung schlug hat sich das konservative Küken bisher besser als die meisten seiner Vorgänger geschlagen: Sicheres Auftreten, relativ feste Linie, Sympathiepunkte sammeln, aber auch Kante zeigen. Letzteres gelang ihm besonders gut in den vergangenen Monaten. Seit Mitte Januar steht Kurz für eine Schließung der Balkan-Route. Aus Griechenland und Deutschland hagelte es dafür massive Kritik. Die Flüchtlingsströme würden nicht abreißen, sich an der griechisch-mazedonischen Grenze stauen, eine humanitäre Katastrophe stehe bevor, mahnten die Gegner und sie behielten Recht. Idomeni ist seitdem zum Inbegriff der Abschottung geworden, eine Politik, die in den Büros am Minoritenplatz in Wien erdacht wurde.

Sebastian Kurz machte mehrfach klar: „Die Politik des Durchwinkens beenden.“ Diese angeprangerte Politik stammt im Wesentlichen aus Berlin. Als im letzten Sommer zehntausende Flüchtlinge über den Westbalkan unkontrolliert nach Mitteleuropa strömten, öffnete Bundeskanzlerin Merkel die deutsche Grenze in einem Akt der Menschlichkeit, wie von ihrer Seite stets betont. Nun ist sie von vielen Nachbarn in ihren Ambitionen für einen europäischen Weg alleingelassen, besonders schmerzt aber der Verrat im Südosten.

Über Jahrzehnte hinweg orientierte sich der kleine Bruder an der deutschen Leitlinie. Die stand auch meist nicht im Gegensatz zu den österreichischen Interessen, denn lange galt: Was für Deutschland passt, passt auch für Österreich. Damit ist seit Sebastian Kurz Schluss. Die bewusste Abwendung von Deutschland signalisiert eine Wende. In Konfrontation mit dem deutschen Justizminister bei „Anne Will“ Anfang März triumphierte der österreichische Ritter hoch zu Ross und erstmals ist es der Zwerg Österreich, der dem großen Nachbarn Paroli bietet.

Es scheint, Kurz habe Blut geleckt. “Das Ziel ist eine Metropolregion Mitteleuropa unter Führung Wiens”, konstatierte er Mitte April in der Politischen Akademie und holte sich aus Washington und vom Balkan Unterstützung für diese österreichische Revolution. Der damalige Bundespräsidentschaftskandidat der ÖVP Andreas Khol unterstützte diese Vision, denn die Ungarn machten sowieso mit, wenn Wien sie rufe. Dort plädierte Kurz auch offen für eine Festung Europa und bezeichnete Merkel als Vorantreiberin der Schlepper. Gleichzeitigbetonte er, Österreich werde durch seine Größe schlichtweg nie Global Player sein, doch er überrascht schon jetzt mit seinen Ambitionen, warum also nicht erneut?

Zweierlei ist sicher: 1. Österreich allein wird Deutschland in seiner Position in der EU nie ablösen können, doch Sebastian Kurz hat gezeigt, dass eine vereinte Stimme aus dem Südosten Gewicht hat. Ein von Wien geführtes Mitteleuropa könnte also tatsächlich die deutsche Stellung bedrohen. Was dies für die verfassungsmäßig garantierte äußere Neutralität bedeutet, wird sich zeigen. 2. Die Glaubwürdigkeit der noch fragilen, mühsam erschaffenen europäischen Außenpolitik ist seit der Flüchtlingskrise stark angeschlagen. Trotz seiner Beteuerungen, er stünde langfristig für eine gemeinsame Lösung, trägt Kurz mit seiner eher zu ihrer Torpedierung bei. Für das Wohl der Union bleibt nur zu hoffen, dass man bald wieder auf einen Pfad der Einigkeit gelangen wird.

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